Vom Tempel-Burnout bis Do-it-yourself Ramen – Japan

Tony drängte mich meine Reh-Gang zu verlassen, denn das Torii konnte jetzt bei Ebbe durchlaufen werden. 

Die Insel galt früher als heilig und Miyajima heißt übersetzt “Schrein-Insel”. Normalsterbliche durften die Insel nicht betreten, Pilger fuhren deshalb mit einem Boot durch das Torri hindurch und gelangten so zu dem der Insel vorgelagerten Schrein, der ebenfalls auf dicken Holzstämmen über dem Wasser liegt ohne Landkontakt. Gut, dass es heute nicht mehr so streng ist.

Unnützes Wissen zum O-Torii-Tor:

Es ist 16,6m hoch und wiegt 60Tonnen. Die Hauptsäulen haben einen Umfang von 9,9m und sind aus Kampferbäumen (wohl eine Lorbeerart) und Zedernholz. Der obere Rahmen des Torii hat einen Hohlraum, der mit faustgroßen Steinen als Gewicht (7Tonnen) befüllt ist. Das Tor steht so durch sein eigenes Gewicht – habe Tony trotzdem verboten sich daran zu lehnen. 

Danach ging es zurück nach Hiroshima, wir ließen den Abend bei dem lokal typischen Gericht ausklingen – Okonomiyaki. Ich würde es als herzhaften Pfannkuchen beschreiben. Vor dem Krieg waren die Pfannkuchen noch ein kleiner Snack. Erst in der Nachkriegszeit entwickelte sich der magere Pfannkuchen in eine mächtige Mahlzeit.

Wir saßen direkt an der riesigen (restauranteinnehmenden) Bratfläche und der Koch gießt eine dünne Lage Teig auf die Bratfläche, dann kommt eine Schicht geraspelter Weißkohl, gefolgt von Ei, Meeresfrüchten und Bauchspeck. Zuletzt noch Nudeln (wieder unsere geliebten Udon). Alles von beiden Seiten braun angebraten und mit einer geheimen Soße und Frühlingszwiebeln abgerundet.

Unserer südlicher Abstecher neigte sich dem Ende und es ging zurück nach Norden. Dieses Mal setzten wir uns aber nicht in den Schinkansen, sondern ich plante noch Zwischenstopps ein. Das heutige Ziel war Naoshima. Mehrere Freunde hatten uns diese Kunstinsel empfohlen und auch online fand ich: „Wenn man nur ein minimalstes Interesse an Kunst hätte, müsse man hier stoppen“ und das attestierte ich sogar Tony. 

Seit Anfang der 1990er Jahre entwickelte sich die Insel zur Kunstinsel und vereint Arbeiten von mehreren modernen Künstlern, die im öffentlichen Raum und in Museen ausgestellt sind.

Nach 20 minütigen Fährfahrt, warfen wir unsere Rucksäcke im Hostel direkt am Hafen ab und waren entsetzt, dass alle Leihräder „sold out“ waren. Also ging es zu Fuß über die Insel und wir erspähten erst einmal die Outdoor-Kunst. 

Dann musste ich Tony schon mit dem ersten Bier motivieren um ihn bei Laune zu halten um ins Benesse House zu gehen. Im Fokus steht das Benesse House Museum mit seiner Darstellung von der Koexistenz von Natur, Architektur und Kunst. 

Er fand zu mindestens die Architektur des Hauses spannend und man hatte einen tollen Blick über die Insel, dazu gehörte noch die Benesse outdoor Galerie mit den „Narcissus Garden“. Hier finden sich hunderte verspiegelte Kugeln. 

Als ich ihm danach offenbarte, dass die eigentliche Kunstausstellung uns noch bevorsteht und ich da nur noch Karten für den letzten Timeslot ergattern konnte, verstummte er erst einmal.

Das Chichu Museum befindet sich größtenteils unter der Erde und wurde von Tadao Ando entworfen und ist ein Kunstwerk für sich, doch ist hier auch ein Raum Monet gewidmet und ich konnte Tony damit etwas besänftigen. 

Und dann wenn die Museen geschlossen sind, klappten auf der ganzen Insel die Bordsteine hoch. Es hatte ein Restaurant offen, da es da aber Pizza und Nudeln Carbonara gab, beschlossen wir nach dem Sunset am Hafen erstmal ins öffentliche Bad einzukehren. 

Es ist natürlich auch kunstvoll gestaltet, obwohl man von außen den Eindruck haben könnte, dass hier auch weitere „Zusatzdienstleistungen“ angeboten werden. Doch alles ganz ordentlich und getrennt, ging es erst zum Waschen und dann entspannte man im heißen Becken. 

So endete auch dieser Tag wie jeder Tag meist anfängt und endet im 7-Eleven – ein schnelles Getränk und ein leckerer Snack. Wir lieben diese Convenience Stores (wie jeder).

Am nächsten Morgen ging es zurück auf die Hauptinsel und wir stoppten in Himeji. Wir wollten der Burg einen Besuch abstatten, eines der ältesten erhaltenen Bauwerke Japans des 17. Jahrhunderts und schönsten Burganlage der Welt.

Die Burg galt schon immer als uneinnehmbar, wegen diesem Ruf, gab es wohl auch keinen ersthaften Versuch. Uns gelang es, okay nachdem wir das Ticket gekauft hatten 😉 Auch blieb die Burg im Zweiten Weltkrieg fast unversehrt, vielleicht da die schöne weiße Burg zur Tarnung im Krieg schwarz angestrichen wurden.

Nachdem wir die Altstadt erkundet hatte, hungerte es uns schon wieder nach etwas Sushi und ich fand ein kleines Familienrestaurant. Zwei Plätze am Tresen waren frei und so bestellten wir die Sashimi Chef Empfehlung (mehr Beschreibung gab es dazu nicht) und eine Auswahl an Nigiri. 

Tonys Sashimi war wild, die Jabobsmuschel war noch das gewöhnlichste, dazu gestellten sich ein Seeohr, eine kleine grüne Schnecke und noch eine undefinierbare Muschel (hatten uns nicht getraut weiter zu fragen, nachdem wir schon nicht wussten, was ein Seeohr ist). 

Heute ging es weiter nach Nara. Und ihr werdet es nicht glauben, aber es regnete. Nara war die Hauptstadt von Japan noch vor Kyoto und ist voll mit Tempeln und Schreinen. Da Tony bei beginnendem Tempel-Burnout auf keinen Fall im Regen die Stadt erkunden wollte, musste ich ihn anders bei Laune halten.

Nara ist bekannt für eine besonderes Sushi – Kakinohazushi. 

Reiche Samurai und Kaufleute, die es sich leisten konnten, in einem Restaurant zu essen, wollten das beste und frischeste Essen – Fisch und natürlich fangfrisch von der Küste. Wenn ein Restaurant den Fisch kocht, nimmt man ihm das Leben und die Frische, oder man verbirgt damit das Alter des Fisches. Ihn roh und frisch zu servieren, war und ist immer noch der beste Weg, dem Kunden zu zeigen, wie frisch und hochwertig der Fisch ist. Dieselben Kunden wollten immer noch frisches Sushi essen, selbst wenn sie weit weg vom Meer waren. Um das zu ermöglichen wurde Kakinohazushi entwickelt. 

Kakinohazushi ist die Praxis, Fisch und Reis mit Salz zu konservieren und in ein japanisches Kakiblatt („kakinoha“ auf Japanisch) einzuwickeln, um zu verhindern, dass es auf der mindestens 5-tägigen Reise, die das Sushi einst von einem Hafen im heutigen Osaka zu einem Restaurant in Nara brauchte, verdirbt. Das Kakiblatt wird wegen seiner antibakteriellen Eigenschaften verwendet (Blätter töten über 80-90 % der Bakterien). Kakiblätter wurden früher auch als Verband verwendet. Die Blätter bewahren auch den Geschmack des Salzes und lassen es gleichmäßig in Reis und Fisch eindringen, ein perfekter und ganz natürlicher Behälter zum Marinieren.

Danach machten wir etwas wirklich komplett verrücktes. Wir machten einen Mittagsschlaf, denn es regnete immer noch. Nebenher begannen wir die Serie „Shogun“ zu gucken. 

Das Dinner hatte heute Tony rausgesucht, erst wollten wir weiterziehen, da noch kein weiterer Gast da war, aber wir trauten uns rein und wurden nicht enttäuscht – japanisches BBG über einem Tisch-Holzkohlegrill.

Wir gönnten uns das Premium Beef Set (beinhaltete auch etwas Gemüse) und dazu ein Krug Sake. Und dann grillten wir. Die Chefin lobte uns für unsere professionelle Tischfeuerlöschung (dafür gab eine Schale Einwürfel) bzw. sie war froh, dass wir ihren Laden nicht abgebrannt haben.

Am nächsten Tag weckte uns wieder die Sonne. Warnung es folgen Nerd Fakts – Nara war von 710 bis (nur) 784 Sitz des japanischen Kaisers, aber bevor ich mit geschichtlichen Fakten langweile: Hier laufen auch 1000 „wilde“ Hirsche herum. 

Man sagt, dass die Tiere Boten der Götter sind, wir haben uns zur Sicherheit vor ihnen verbeugt und es wurde erwidert, oder waren es die Reh-Cracker in unserer Tasche?!

Da ich Tony nicht mehr in „normale“ Tempel locken kann, musste die größte Bronze-Buddhastatue her – 15m hoch, 450t Kupfer, 50.000 Zimmerleute und 37.000 Metallschmiede wurden damit beschäftigt. 

Zum Schutz steht der Buddha im größten Holzgebäude der Welt und wird von meterhohen Wächtern beschützt, der eine steht sogar auf einem erschlagenen „Monster“.

Dann fiel uns ein Loch in der großen Holzsäulen auf. Naja ich habe Tony vielleicht extra hier vorbeigeführt. Dort steht eine Säule, in der ein Loch eingelassen ist. Sie soll die gleiche Größe wie das Nasenloch der Buddha-Statue haben und wer dort hindurchpasst, soll im nächsten Leben Erleuchtung erfahren – sicher ist sicher. Wir haben es beide geschafft.

Danach schlugen wir uns durch die kleinen Gassen an vielen weiteren Schreinen und Tempeln entlang, denn nachdem Nara nicht mehr kaiserliche Residenz war, konnte es sich als religiöses Zentrum etablieren. 

Dann entdeckten wir einen Aussichtspunkt und dachten, dass wir da mal schnell hochgehen. Es war wie es kommen musste, der Weg war länger, steiler und wir wieder ohne Wasser unterwegs. Es war der Berg Wakakusa.

Wir verfütterten unsere letzten Cracker und dann ging es nach Osaka.

Unser letztes Hotel überzeugte mit super Lage, Rooftop Pool, Onsen und Zimmer in der 33. Etage. 

Also ging es zur „Kiez“-Erkundung. Osaka gilt als Food Hauptstadt des Landes und so starteten wir in einer ausgefallenen Sushibar und wurde nicht enttäuscht. 

So gestärkt fuhren wir noch eine Runde mit dem HepFive Riesenrad, dass auf einem Hochhaus in 106m Höhe steht – erstmal Überblick verschaffen. 

Am nächsten Tag erkundeten wir die Stadt und begannen mit der Burg – Wahrzeichen der Stadt. Uns schreckte die lange Warteschlange ab und da wir bereits in Himeji sehr viel über die japanische Burgarchitektur und Verteidigungsstrategien gelernt hatten (Tony untersagt Informationen über Burgen, kann ich euch beim Sake erzählen).

Doch unser Stadt-Walk hatte noch einen anderen Hintergrund wir wollten uns weiter durch die „Stadt“ probieren. 

Den Abend verbrachten wir im Dotenbori Viertel – eine absolut verrückte Gegend – überall blinkt und leuchtet es, unterschiedlichste leckere Gerüche aus den verschiedensten Küchen. 

Auch in Osaka findet sich ein Fischmarkt und wir wollten die Chance nutzen Fugu zu probieren und im besten Fall auch zu überleben. 

Bei Kugelfischfleisch kann in der falschen Zubereitung zu Vergiftungserscheinungen kommen bis zur Atemlähmung. Die Toxine sind vorallem in den Organen angereichert und deshalb muss der Koch mindestens zwei Jahre in einem Fugurestaurant lernen. Wir trauten uns auf dem Markt, die Lizenz vom Koch war zwar nicht zusehen, aber er wirkte sehr kompetent. 

Richtig clever war unsere Idee uns nach dem Verzehr zu trennen (Vergiftungszeichen können auch erst nach 30min-4h austreten), aber weil es wieder regnete wollte Tony in so eine Gaming-Hölle (verdunkelte Fenster, bzw. ich glaube, dass es da nicht einmal Fenster gab, zumindest roch es nach zockenden Teenagern). 

Und ich ging ins Igel-Café – 30min mit Treatment waren schnell gebucht und schon bekam ich eine Decke auf die Beine und lernte Igeldame „Lucky“ kennen. 

Treatment im Igel-Café bedeutet, dass man einen kleinen Becher mit Würmern bekommt und die Igel füttern darf. Doch Lucky war eher ein kleiner Wirbelwind und unhungrig. Sodass ich einen hungrigen zweiten Igel bekam. 

Am nächsten Tag ging es wieder zusammen weiter. Wir suchten uns noch eine Wanderung auf den „Stadtberg“ Mt. Ikoma heraus mit 700HM und einem tollen Blick auf Osaka. Wir hatten dieses Mal sogar genug Wasser und Verpflegung dabei, natürlich Sushi.

Für den Abend hatte ich Tickets für die TeamLab Garden Ausstellung gebucht. Hier in Osaka ist diese Multimedia-Ausstellung im botanischen Garten.

Die Installationen reagierten auf vorbeifliegende Vögel, Lichter waren Seerosenblüten, „Waldgeister“ schlängelten sich durch die Bäume und natürlich durften die riesigen farbigen Kugeln nicht fehlen. 

Unser letzter Tag begann mit Wäsche waschen, aber es war sehr angenehm, denn unser Hotel verfügt über ein Onsen Bad. Also einmal alles in die Wäsche und ab ins Bad, so lässt es sich aushalten. 

Zur Belohnung nach der anstrengenden „Hausarbeit“ sollte es nichts anderes als eine Wagyu Beef Lunchbox geben. Und auf unsere letzten Stunden wurden wir nochmal richtig „japanisch“. Wir standen in einer Warteschlange vor einem kleinem Restaurant – 1,5h, in der Zeit huschte ich noch einmal durch die Shoppingstraßen und kaufte für Tony Schuhe. Als ich zurück war schaute sich Tony eine Straße weiter den „bewachsensten“ Schrein Japans an. 

Denn hier wirft man keine Münzen rein, sondern muss die Statue mit Wasser beträufeln. Als er zurück kam, durften wir dann endlich eintreten und da man schon in der Schlange wartend seine Bestellung abgegeben hat, ging es dann fix. 

Es war super lecker mit den drei unterschiedlichen Beef Sorten, aber so lang anstehen ist nichts für uns… 

Schon einmal etwas von dem CupNoddles Museum gehört? Jeder kennt sicher Instantramen, die hier in Osaka von Momofuku Ando erfunden wurden. 

Am 25. August 1958 wurden die erste Instantnudeln auf den Markt gebracht. Inspiriert war das ganze durch den Hunger vieler Japaner nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Instantnudeln sollten schnell und einfach für jeden den Hunger stillen können.

Und man kann in der CupNoddles Factory seine persönlichen Instantramen herstellten. Ratet mal wer wieder sehr skeptisch war und dann die Zeit für die Becherbemalung scharmlos überzogen hat um seinen Becher fertig zubemalen?!

Dann ging es zur Befüllung: Soßengeschmack aussuchen, Toppings oben auf, versiegelte Deckel und dann Schutzfolie drum.

Mit vollen Stolz trugen wir den Rest des Tages unsere Ramen mit uns rum bis wir dann zum Airport mussten. Als wir 22:25 den Flieger betraten, gab es diesen selten Moment, dass vor und neben unserer Plätzen zwei Reihen frei waren. Wir warteten auf die erlösenden Worte „boarding complied” und wir warfen uns auf die freien Reihen und schliefen dann liegend neun von 13 Flugstunden.

So ausgeschlafen sind wir gerade in Berlin gelandet.

Resümee: 

Gelaufene Kilometer: 450 (Durchschnitt 18km/d)

Geradelte Kilometer: 45

Kaiserlichen Alarm ausgelöst: 1

Mit Öffis zurückgelegte Kilometer: 2251 (zusammengesetzt aus Zug, Bus, Bahn, Gondel, Fähre)

In den falschen Zug eingestiegen: 2

Sushi gegessen: nicht mehr zählbar 

Japan ist ein tolles Reiseziel und wir hatten viel Spaß, haben lecker gegessen, sind nur netten Leuten begegnet, haben viel gelernt, aber ich glaub, dass ich auch im Namen von Tony sagen kann – unser Herz schlägt für Afrika mit ToYo und wir freuen uns Ende August endlich wieder vereint zu sein. 

Sayonara, Eure Abenteurer 

Tony&Juli 

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