Dank Prof. Drosten wissen wir „alles“ über Covid-19, sodass ich davon nichts mehr erzählen muss. Ich habe mich 2020 im Mai an der spanischen Küste Tapas essen sehen – cancelled! Wollte in Kirgistan auf einem Pferd durch die Steppe reiten – cancelled!
So hatte ich mich zwischenzeitlich mit einer Deutschland Tour gedanklich angefreundet, doch dann ließ ich meinen Blick noch einmal über unsere Weltkarte schweifen und da hatte ich die Eingebung – Roadtrip durch das Baltikum! Die Route stand schnell fest und Papa das Auto abzuquatschen war ein Leichtes.
So ging es am Freitag natürlich nach einem Dienst direkt los. Alle Covid Websites waren noch einmal gecheckt, Masken in verschiedensten Varianten verstaut und Desinfektionsmittel in jeder Tasche. Einreise in Polen war ohne Besonderheiten. Wir rollten über die Autobahn nach Leba im Slowinzischen Nationalpark an der Ostseeküste. Erster kleiner Schock, dass es ein recht touristischer Ort war und ich die einzige die voller Überzeugung mit Maske am Campingplatz nach einem Plätzchen für unser Zelt fragte. 60 Zloty (~ 13€) später konnten wir uns frei eine Stelle aussuchen. Wir bauten fix das Zelt auf und machten uns 50m weiter zum Strand.
Wir machten einen Strandspaziergang und dann erkundeten wir Leba. Eigentlich waren wir vor allem vom Hunger getrieben und deshalb gewohnt unentschlossen. Wir fanden ein Restaurant mit natürlich – Fisch! Hier kauften wir auch noch eine geräucherte Makrele für den morgigen Tag.
Morgens um 8 Uhr war unser Zelt bereits zusammen gepackt, Notfallmüsli zu uns genommen und wir wanderbereit. Wir genossen den Weg am Strand für uns ganz allein.
Bemerkten aber schnell, dass unsere Ambition baden zu gehen bereits bei Zehkontakt mit dem Wasser verschwand.
Es ging ungefähr 8km am Strand entlang bis wir endlich an der Lontzkedüne waren – Sahara Polens!
500 Hektar groß und sich circa 12 Meter pro Jahr nach Osten ausdehnend. Ich will jetzt nicht jammern, aber wisst ihr wie schwer es sich düne-hoch in so feinem Sand läuft?!
Zurück ging es durch einen schattigen Kiefernwald, hier lauerten aber gemeine Mücken auf uns, so dass wir ans Meer zurück flohen und es war Zeit für einen Snack. Die Makrelen musste her.
Tony versuchte die Sezierung und scheiterte. Das einzige Ergebnis war das seine Hose Ölflecken hat und er bis zum Ellenbogen klebte. Ich übernahm und wir konnten direkt essen.
Danach ging es nach Danzig und dort angekommen stolperten wir direkt in die Free Walking Tour.
Ihr könnt euch vorstellen, dass die Stadtgeschichte etwas kompliziert ist, da Danzig unter polnischer, preußischer und deutscher Herrschaft stand.
Danzig war so wohlhabend, dass das hier kein Palast sondern nur eine schnöde Waffenkammer war.
In den Speichern lagerten 80% Getreide und 20% Holz, deshalb waren nachts keine Personen erlaubt, eine achtlos weggeworfene Zigarette hätte das danziger Vermögen vernichtet.
Nachdem zweiten Weltkrieg – als deutsche Stadt – wurde Danzig als Rache von den Russen komplett zerstört. Umso beeindruckender fanden wir diese neu aufstrebende Stadt mit der schönen wieder aufgebauten Altstadt.
Danach stärkten wir uns mit Pirogen mit Hackfleisch, Sauerkraut, Spinat, Pilzen und Wild und ließen den Abend bei einem (oder zwei) polnischen Bier ausklingen.
Der Covid-Situation geschuldet hatte ich auch in den Städten nichts reserviert, sodass die Auswahl überschaubar war und wir in einem 8er Zimmer landeten – eher Einzelkapseln, fast alles war belegt, sodass wir schräg übereinander schlafen mussten. Ich kann nach dieser Nacht behaupten, ich kann Nationalitäten nach dem Schnarchen erkennen – sehr dominant der angetrunkene Russe 🤪
Am nächsten Tag rollten wir zur Marienburg.
Covid Fakt: Alle trugen vorbildlich Maske, man bekam Desinfektionsmittel am Ticketschalter auf die Hände (mein geschulter Blick würde behaupten es handelte sich um Flächendesinfektionsmittel und meine empfindliche Haut auch) und es wurde die Temperatur gemessen.
Wir betraten den größten Backsteinkomplex Europas, der von 1309 bis 1454 Sitz des Deutschordenstaates war. Danach war es Residenzort der polnischen Könige.
Es gab einen richtig guten Audioguide, der einen gut strukturiert durch den Komplex führte.
Danach wurde eine Sitzung zur weiteren Reiseplanung einberufen.
Wir entschieden uns um die Autofahrten kurz zu halten nur bis zur masurischen Seenplatte zu fahren.
Hier fanden wir einen idyllischen Platz für unser Zelt und saßen das erste Sommergewitter aus.
Am nächsten Morgen waren wir auf Anraten der Kayak Dame bereits um 8 Uhr auf dem Fluss. Ich habe das Gefühl, dass die Polen nicht so die Frühaufsteher sind, denn wir waren komplett allein.
Stimmt fast, denn ein paar Familien kreuzten doch unseren Weg…
Es ging von Krutyn nach Ukta 13 km flussabwärts. Ich musste natürlich vorn sitzen. Tony pries es mir damit an, dass sein breites Kreuz nicht meine Sicht versperrt, doch ich glaube er wollte nur meine Paddelleistung im Auge behalten. Den Turbogang legten wir ein als es einen Abschnitt mit heimtückischen uns verfolgenden Bremsen gab. Tony wollte eine wegpusten, atmete versehentlich ein und so landete sie in seinem Mund. Dieses Geschrei und Gezappel hat uns fast kentern lassen! So war es zumindest aus meiner Perspektive 😉
Doch wir überlebten und machten uns danach auf zur Wolfsschanze.
Wir haben uns nie darüber Gedanken gemacht, wo das ist oder was davon noch übrig ist – so lockte uns die Neugier, jedoch auch ein recht mulmiges Gefühl dorthin.
Das militärische Lagezentrum des Führungsstabes der deutschen Wehrmacht, oder auch Führerhauptquartier der Ostfront. Man darf es sich nicht als hidden place vorstellen, sondern eher als durchorganisierte Touristenattraktion. Eintrittsticket für 15 Zloty (~3,40€) mit Kreditkarte bezahlt wurde man sehr bestimmt zu Parkplatz geleitet.
Doch dann konnte man allein rumstreunern, jaaaa vielleicht waren ein paar Schilder da…
Doch selbst unsere Schläppchen hielten uns nicht von der ein oder anderen Erkundungstour ab.
Ein großer Punkt war Operation Walküre – das Attentat von Stauffenberg auf Hitler vom 20. Juli 1944.
Es hätte klappen können, wenn einem Oberst die Aktentasche mit der Bombe nicht gestört hätte und sie ein Tischbein weiter gestellt hat! Er ist bei der Explosion trotzdem verstorben, aber Hitler hat nur leichte Verbrennung und versenkte Haare davon getragen.
Danach erkundeten wir den Hitler und Göring Bunker, die „Betreten verboten“-Schilder waren hier, zu unserer Verteidigung, bereits abgebrochen🤪
Die Decken der Bunker waren 6-8 Meter dick. Die Anlage verfügte über einen Bahnanschluss und Flugplatz. Sie war von einem 50 bis 150 Meter breiten Minengürtel und einem 10 km langen Stacheldrahtzaun umgeben. Es bestand ständige Funk- und Telefonverbindung nach Berlin und an alle Fronten.
Auf den Wohnzimmerfliesen von Herrmann Göring zu stehen, war mehr als komisch und wir hätten uns eine kritischere Aufarbeitung gewünscht.
Wir wollten heute noch nach Litauen, gab es doch Gerüchte, dass Polen nur noch nach einer Quarantäne nach Litauen einreisen dürfen um nicht hungrig zu stranden, aßen wir noch fix in Polen.
Um auch nichts zu verpassen bestellten wir die polnische Spezialitätenplatte. Beim Essen habe ich gespürt wie sich meine Herzkranzgefäße mit Plaque voller Cholesterin zugesetzt haben, hoffentlich hat das selbst gebraute Bier ein paar Peripherien eröffnet 🤪
Und dann rollten wir problemlos nach Litauen und schlugen das Zelt auf der ersten (Tonys hohen Ansprüchen auf Nachtlager und Gefälle als Bettneigung) Campsite auf.
Am nächsten Morgen fuhren wir durch Kaunas und ich überlegte mit mal etwas anderes als immer nur Altstadt angucken. Ich suchte ein wenig Street Art raus und davon gab es reichlich.
Kaunas war die erste Stadt in Litauen mit ganzen Wandbildern. Wir fanden einige direkt am Ufer des Flusses Memel.
Nachdenklich hat uns der traurige Eisbär auf einer Eisscholle gemacht, der ein Stück Eis oder Diamant am Stiel hält. Es soll auf die globale Erwärmung aufmerksam machen, ohne einen stabilen Boden verhungern die Tiere und ein Stück Eis hat für die Bären den Wert eines Diamanten.
Nach der Testung des litauischen Bieres zogen wir weiter. Unser Ziel war Klaipeda.
Hier ließen wir unsere Iso-Matten geschundenen Körper in einem ganz netten Hotel am Hafen erholen.
Am nächsten Morgen stand die Kurische Nehrung auf dem Programm.
Für die Unwissenden unter euch:
Es lebte hier die schöne Riesin Neringa. Natürlich verleibte sie sich. Doch Wellengott Bangputys war gegen die Hochzeit – er wütete und tobte, sodass sich riesige Wellen auf der Ostsee auftürmten. Neringa als entschlossene Braut zu heiraten, lies sich das nicht gefallen und sammelte Sand in ihrer Schürze und schüttete ihn vor der Küste zu einem Schutzwall auf – die Hochzeit konnte stattfinden. Und die Fischer können seitdem ungestört im Haff fischen – geschützt von der Landzunge, die den Namen der schönen Riesin trägt.
Ja vielleicht ist die Nehrung auch nach der letzten Eiszeit aus einer Inselkette von Endmoränenhügeln, an die der Westwind über Jahrhunderte stetig Sand wehte, entstanden, also nur vielleicht.
Covid Moment:
Ich verstehe kein litauisch, aber der Fährmeister schicke die Personen ohne Maske bestimmt und recht unnett davon!
Die Räder rollten wie von allein und die Stimmung war ausgelassen, kippte aber indirekt proportional zur Steigung des Radweges – vielleicht wurden erste Fluchwörter geäußert.
Und wenn ihr denkt, dass es ein entspanntes Radfahren mit Stops an den Dünen handelte – dann seid ihr noch nie mit Tony Rad gefahren, es wurde plötzlich eine Sporteinheit. Nach 15km!!! bekam ich einen ersten kleinen Trinkstop, nach einem Minischluck musste ich wieder aufsatteln, da uns Rentner auf E-Bikes überholten und das kann man anscheinend nicht auf sich sitzen lassen, so musste ich meinen „Boost-Modus“ zünden und wir zogen wieder vorbei (sie haben vielleicht angehalten)🤪. Nach 30 km forderte ich nächsten Trinkstop, leicht missgelaunt stoppte ich und wurde von Todesameisen heimgesucht – wieder nicht richtig getrunken.
Sodass wir dann das 51km entfernte Nida erreichten. Es ging an der Promenade entlang zum Highlight der Parnidis Düne.
Ich hatte mich irgendwie verschalten und das Rad machte eh schon komische Geräusche – sonst wäre ich natürlich auch hochgefahren.
Während des Runterrollens beschlossen wir den Rückweg auch zu fahren und nicht den von mir favorisierten Bus zu nehmen.
Rückblickend kann dieser verrückte Moment nur durch Dehydrierung zu erklären sein. Wir führen also wieder los mit der Begründung, dass der Po ja eh schon weh tut. 🙈
Es gab einen Stopp als wir an der Jodkante etwas Essen wollten. Nach all dem Gestrampel inhalierten wir das Essen regelrecht.
Danach wollten wir den kürzesten Weg zur Fähre nehmen, aber der ging an der Straße entlang.
Das ich mal froh bin, wenn mich ein LKW auf der Landstraße überholt um diesen kleinen Moment des Rückenwindes zu verspüren. Am Ende sind wir 110km Rad gefahren und haben gerade noch die Fähre 18:45 bekommen um unsere Räder bis 19 Uhr abzugeben – Radfahren 2020 eindeutig abgeschlossen!
Wir rollten dann nur noch stadtauswärts und stellten unser Zelt in Strandnähe auf und wurden mit einem perfekten Sunset belohnt.
Nein daran war nichts romantisch, weil wir vor Schmerzen nicht mehr sitzen konnten auf dem Sand oder Steinen – es blieb uns nur die stabile Seitenlage im Zelt.
Am Morgen ging es dann weiter nach
Hier las ich etwas von einer russischen Bunkeranlage der Hauptbasis der Ostseeflotte. Also zogen wir feste Schuhe an und los ging es.
Wir fanden Geschützplattformen und Transportschächte – aber auch Natur, die sich ihren Platz zurück erobert hat und Künstler die sich verewigen.
Dann wollten wir weiter zum Kap Kolka und endlich stürmte es und die See brauste.
Wir hatten für den Sunset eine Moorschuhwanderung gebucht und wollten uns davor etwas stärken. So kauften wir natürlich am ersten Räucherstand zwei Makrelen in Knoblauch und suchten uns einen guten Stop für unser Dinner.
Moorschuhwanderung – Treffpunkt ein Parkplatz an der Landstraße, außer uns nur Litauer! Wir folgten ihm und bekamen die Moorschuhe….
Ob wir es aus dem Moor zurück geschafft haben, dann hoffentlich im nächsten Teil des Blogs!
Grüßt euch der kleine Moor